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Februar 21, 2022„Wie man sich in jedem einzelnen Augenblick einer flow-Aktivität fühlt, wird stark von den objektiven Bedingungen beeinflusst, aber das Bewusstsein ist immer frei, den Fall selbst einzuschätzen.“
Mihaly Csikszentmihalyi
Führung systemisch – Flow Rahmung
Flow erinnert uns daran, dass Glück und Selbstverwirklichung am ehesten eintreten, wenn Sie sich selbst herausfordern und Ihre Fähigkeiten entwickeln. Denn nach Mihály Csíkszentmihályi (1992) wird Glück im Flow erlebt, wenn wir uns selbst fordern und pushen, um die Herausforderungen zu meistern und dabei auf ein höheres Level kommen, dieses stabilisieren und auf dem höheren Level neuen Fähigkeiten entwickeln.
Um die Arbeitsumwelt so zu gestalten, dass dies erlebbar wird, legt eine nachhaltige, systemische Führung Wert auf die Fähigkeit, das Fachwissen und die Kompetenzen anderer zu schätzen und zu nutzen. Sie sieht sich nicht als fachliche Letztinstanz, sondern gibt einen Rahmen dafür, dass fachliches Know-how aller Mitarbeiter sich in optimaler Weise verbinden kann. Dazu schafft sie eine Art „Flow-Kanal“, wie dies Mihály Csíkszentmihályi (1992) nennt, in dem sich die Kompetenzen der Mitarbeiter in einem synergetischen Prozess entfalten können. Csíkszentmihályi beschreibt acht typische Merkmale einer solchen Führung, welche die Menschen fordert, aber nicht überfordert. Diese können in einem Selbstcheck-Fragebogen, wie er im Beispiel unten angewandt wird, zusammengefasst werden (zitiert aus Arnold, 2012, S. 108 f nach Burow 2011, S. 64).
Was heißt systemische Führung die einen Flow-Rahmen schafft konkret:
- Beispiel Forschungsabteilungsleiter:
Die Führungskraft trifft sich wöchentlich mit seinem gesamten Team. Dabei werden als erste strategische Neuerungen und Ziele der Einrichtung vorgestellt und debattiert. Dabei legt die Führungskraft Wert darauf, dass das Team die Ziele mitträgt. Abweichende Detailvorstellungen werden jedoch respektiert.
Anschließend werden im Teammeeting alle aktuellen Arbeitspunkte durchgesprochen mit der Ausrichtung, Schwierigkeiten und Engpässe zu erkennen und gemeinsam mögliche Herangehensweisen zu entwickeln. Die Führungskraft reflektiert, dass jedes Mitglied der Tendenz folgt, die eigenen Themen und Herausforderungen so positiv als möglich darzustellen, wodurch Vertuschen und „Gesund-beten“ noch einen gewissen Raum haben.
Die Führungskraft sorgt dafür, dass die individuellen Stärken der Mitarbeiter nutzbringend in die einzelnen Arbeitspunkte vernetzend eingebracht werden. Ein gegenseitiges Stützen und Stärken ist ihr dabei wichtig.
Bei neuen Projekten gibt sie dem zuständigen Mitarbeiter Raum, die Aufgabenstellungen eigenständig anzugehen und beobachtet, ob und wann sie Hilfestellung benötigen. Bei auftretenden Schwierigkeiten greift die Führungskraft häufig ein, übernimmt die Aufgabe und schließt sie ab. Der Führungskraft fällt auf, dass einige Mitarbeiter auf diese Rückfallebene setzen. Für die Führungskraft ist dies eine akzeptable Verhaltensweise, da sie um das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter weiß und bereit ist, ihnen dies zu bedienen.
Ausgestattet mit einer sehr hohen Auffassungsgabe durchdringt die Führungskraft die Herausforderungen blitzschnell, meist schneller als die Mitarbeiter und Kollegen. Die Hauptaufgabe beschreibt die Führungskraft, bestände für sie darin, den Mitarbeitern Zeit und Raum zu gewähren, die Aufgabenstellung selbst nachzuvollziehen, ihre Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, ohne ihnen dabei die eigenen Vorstellungen vorab als Maßstab zu präsentieren. Das stellt sie vor die Aufgabe, sich stets zurückzunehmen und abzuwarten, welche Perspektiven die Mitarbeiter bzw. das Team insgesamt auf die Aufgabenstellung entwickelt
- Erfassung der Aspekte der Flow-Rahmung
Inwieweit die Führungskraft systemisch handelt und einen Flow-Rahmen schafft kann durch Ausfüllen des 8-Punkte-Fragebogens „Die Kunst der Flow-Rahmung“ („Leadership by Flowing“) nach Arnold (Arnold 2012, S. 108) ermittelt werden. In diesem konkreten Fall könnte dies so aussehen:
Flow-Rahmen nach Csíkszentmihályi | Konsequenzen für eine Leadership by Flowing | −− | − | + | ++ |
1. Die Ziele sind klar | Ich sorge stets dafür, dass für alle Beteiligten die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele klar sind | + | |||
2. Die Rückmeldungen kommen sofort | Ich gebe Einschätzungen, Kommentare und Feedbacks stets unmittelbar und erwarte diese auch selbst. Es wird nichts vertuscht oder „gesundgebetet“ | – | |||
3. Handlungs-möglichkeiten & Fähigkeiten entsprechen einander | Ich bemühe mich um ein stets klares Bild über den Stand der Fähigkeiten im Team und gebe herausfordernde Chancen („Bewährungsproben“) | + | |||
4. Es steigt die Konzentration | Ich bemühe mich um die Vermeidung unnötiger Geschäftigkeit und nehme mir für wichtige Klärungen Zeit, um in die Tiefe zu gehen | + | |||
5. Was zählt, ist die Gegenwart | Die „Hypotheken der Vergangenheit“ lasse ich hinter mir und bemühe mich immer wieder neu um einen unbelasteten Blick auf die Notwendigkeiten, Potenziale und Kompetenzen | ++ | |||
6. Die Beherrschung der Situation | Ich vermeide unnötige Risiken und achte darauf, dass die Beteiligten nicht völlig überfordert sind | + | |||
7. Das Zeitgefühl ändert sich | Ich achte darauf, inneres Beteiligtsein statt bloß äußerer Kontrolle (Zeiterfassung) zu gewährleisten | ++ | |||
8. Das Aussetzen des Ich-Bewusstseins | Ich achte darauf, dass mein Ich mit seinen Bedürfnissen, Erwartungen und Befindlichkeiten meine Urteile und mein Handeln nicht bestimmt | ++ |
Tab. 1: Tool M: Die Kunst der Flow-Rahmung („Leadership by Flowing“) nach Arnold (Arnold 2012, S. 108)
- Beratung zur Vertiefung des systemischen Ansatzes mit Flow-Rahmung
Als Beraterin sind mir bei der Reflexion des Falles zwei vordringliche Themen aufgefallen, die ich der Führungskraft in einem Coaching spiegeln würde:
- Akzeptanz des „Vertuschen und Gesund-beten“, anstelle dafür zu sorgen, dass
- die Mitarbeiter eigene Meinungen und Sichtweisen verbalisieren
- selbst Zutrauen und Zuversicht in Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter entwickeln, dass so
- der Teamkonsens, den die Führungskraft anstrebt, eine neue Form „Echtheit“ bekommt.
- Eingreifen und selbst erledigen, anstelle dessen die Mitarbeiter zu empowern mit der Konsequenz, Lösungen, Lösungsweg und -dauer der Mitarbeiter zu akzeptieren (Voraussetzung: Zeitplanung anpassen).
Zu Punkt eins würde die Beraterin der Führungskraft einen wertschätzenden Umgang mit Schwierigkeiten, Herausforderungen bzw. Fehlern nahelegen, entfernt angelehnt an die Haltung der Methode Appreciative Inquiry von David Cooprider (Seliger 2000, S. 82 ff). Dieses Modell zeigt in inspirierender Weise die kraftvolle Wirkung sowohl des Prinzips „mehr von dem, was funktioniert“ als auch des Bejahens von vorhandenen Stärken, Erfolgen und Potenzialen (erlebt in Vergangenheit und Gegenwart). Insbesondere Würdigung von Problemen im Sinne von Motoren für Veränderung kann bestärken. Gerade in Forschungsgebieten sind auftretende Schwierigkeiten und ihre Lösungen das Kerngeschäft von Forschung. D.h., treffen Mitarbeiter auf Schwierigkeiten und lösen sie diese, kann dies von Nutzen, nicht nur für das Institut, sondern auch für die Industriepartner sein. Mit diesem Blickwinkel erhalten Schwierigkeiten eine neue Wertschätzung. Als Beraterin würde ich diesen Ansatz mit der Führungskraft trainieren, so dass sie diesen im Team einführen und implementieren kann.
Zu Punkt zwei würde ich als die Beraterin der Führungskraft spiegeln, dass dieses Verhalten einem Dementor-Gebaren ähnelt und zur Demotivation bzw. erlernter Unmündigkeit der Mitarbeiter entwickeln kann. Hier wäre es für die Führungskraft wichtig, statt des kurzfristigen eigenmächtigen Lösens der Aufgaben, den langfristigen Nutzen zu erkennen, die Mitarbeiter zu empowern und in ihrer Individualität zu respektieren bzw. zu stärken. Im Coaching würde die Beraterin mit der Führungskraft anhand seiner Fallbeispiele alternatives Verhalten trainieren.
Literatur
Arnold, Rolf (2012): Spirituelle Führung – Anleitung zum Selbstcoaching mit einem Methoden ABC. Springer Gabler, Wiesbaden
Csíkszentmihályi, Mihály (1992): FLOW – Das Geheimnis des Glücks. Klett-Cotta, Stuttgart
Seliger, Ruth (2000): Einführung in Großgruppenmethoden. 3. Auflage. Carl Auer Campus. Heidelberg